„Fatales Signal?“: Drogenbeauftragter Streeck will das Cannabisgesetz zurückdrehen
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Der politische Wind in der deutschen Drogenpolitik dreht sich erneut: Der Bundesdrogenbeauftragte Prof. Dr. Hendrik Streeck (CDU) hat die vollständige Rücknahme des Konsumcannabisgesetzes (CanG) gefordert. Er begründet dies mit psychischen Risiken für junge Menschen und bezeichnet die Teillegalisierung als „fatales Signal“. Seine Forderungen treffen jedoch auf Widerspruch von Experten: Offizielle Studien zeigen, dass der Cannabiskonsum bei Minderjährigen seit der Legalisierung sogar leicht zurückgegangen ist.
Die Kernpunkte
- Rückabwicklung gefordert: Streeck möchte das CanG komplett zurückdrehen und zu den früheren Strafregelungen zurückkehren. Er sagte, die CDU werde das Cannabis-Gesetz „noch einmal aufschnüren“ [1].
- Jugendschutz als Hauptargument: Streeck warnt vor langfristigen psychischen Schäden bei Menschen unter 25 Jahren und kritisiert, dass die erlaubte Besitzmenge von 25 Gramm viel zu hoch sei [1].
- Missbrauch von Medizinalcannabis: Der Drogenbeauftragte sieht einen „erheblichen Missbrauch“ von medizinischem Cannabis. Seiner Ansicht nach werden zu viele Online-Rezepte ausgestellt, der Import sei um 430 Prozent gestiegen und es gebe „Dealer in weißen Kitteln“ [1].
- Offizielle Daten widersprechen: Laut der Drogenaffinitätsstudie 2025 des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit ist der Anteil der 12‑bis‑17‑jährigen Konsumenten von 6,7 Prozent (2023) auf 6,1 Prozent gesunken [2][3]; regelmäßige Nutzung reduzierte sich ebenfalls. Bei jungen Erwachsenen stieg der Konsum leicht an [2], was einem langjährigen Trend folgt.
Warum Streeck das Gesetz kippen will
In Interviews mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – die von zahlreichen Medien wiedergegeben wurden – erklärte Streeck, die Teillegalisierung habe „Dealer in weißen Kitteln“ hervorgebracht. Gemeint sind Ärzte und Telemedizin-Plattformen, die Cannabis-Rezepte gegen Bezahlung ausstellen. Er fordert, Medizinalcannabis nur noch in Form von Tropfen oder Kapseln zuzulassen und den Verkauf von Blüten zu untersagen [1]. Darüber hinaus hält er die erlaubte Besitzmenge von 25 Gramm für deutlich zu hoch und warnt, dass Jugendliche unter 25 Jahren ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen hätten [1]. Nach seinen Worten müsse die CDU das Gesetz „aufschnüren“ [1][4].
Kritik am Boom bei Online-Rezepten
Streeck beklagt, dass sich immer mehr Menschen Cannabis als Medikament verschreiben lassen, obwohl sie es lediglich zum Freizeitkonsum nutzten. Der Import von Medizinalcannabis habe sich laut seinen Angaben vervielfacht [1]. „Wir beobachten einen erheblichen Missbrauch“, sagte er und sprach von einem Anstieg der Privatrezepte von über 80 Prozent sowie von „Dealern in weißen Kitteln“. Er will Telemedizin-Anbieter strenger regulieren und die Füllmengen und Inhaltsstoffe von E‑Zigaretten stärker überwachen [1].
Was die Daten wirklich zeigen
Die vom Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG, vormals BZgA) veröffentlichte Drogenaffinitätsstudie 2025 kommt zu einem anderen Ergebnis. Sie befragte 7.001 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12–25 Jahren. Demnach sank der Anteil der 12‑bis‑17‑jährigen, die im vergangenen Jahr Cannabis konsumierten, von 6,7 Prozent (2023) auf 6,1 Prozent [2][3]. Auch der Anteil der regelmäßigen Nutzer (mehr als zehn Konsumtage im Jahr) ging leicht zurück. Bei den 18‑bis‑25‑jährigen Männern hingegen stieg die 12‑Monats-Prävalenz von 26,9 Prozent auf 31,6 Prozent, was laut Forschern einem langjährigen Trend entspricht [2]. Die Forscher sehen keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Teillegalisierung und einem sprunghaften Anstieg des Konsums.

Politische Hintergründe
Streecks Vorstoß fügt sich in die Linie der CDU/CSU ein, die das Cannabisgesetz von Beginn an ablehnte. Als neuer Drogenbeauftragter unter der Merz-Regierung versucht Streeck, mit seiner wissenschaftlichen Autorität die Rückabwicklung voranzutreiben. Gegner sehen darin eher parteipolitisches Kalkül als eine neutrale Beurteilung. Sie betonen, dass Prohibition den Schwarzmarkt stärkt und keine Alterskontrollen kennt. Statt eines radikalen Verbots fordern sie eine verbesserte Regulierung mit wirksamem Jugendschutz. Eine erste Evaluation (EKOCAN) liefert zusätzliche Einordnung zu Wirkungen und Nebenfolgen der Reform [5].
Chancen & Risiken
- Chance: Streecks Fokus auf Jugendschutz könnte zu einer breiteren Debatte über Prävention, Aufklärung und strengere Qualitätskontrollen führen, insbesondere bei Medizinalcannabis.
- Risiko: Eine Rückkehr zur Prohibition würde den Schwarzmarkt stärken, Konsumenten kriminalisieren und staatliche Kontrolle schwächen. Studien deuten darauf hin, dass Verbote den Konsum Jugendlicher kaum beeinflussen [2].
Hendrik Streecks Argumente für eine Rückabwicklung des CanG klingen zunächst besorgniserregend. Doch seine Schlussfolgerung – ein Totalausstieg – lässt die Realität außen vor. Die offizielle Studie zeigt keinen Anstieg des Konsums bei Jugendlichen, vielmehr wirken Prävention und Aufklärung [2]. Statt die Uhr zurückzudrehen, sollte die Politik den Jugendschutz mit gezielter Prävention stärken, Telemedizin strenger kontrollieren und die 25‑Gramm‑Grenze in Ruhe evaluieren. Populismus hilft hier niemandem.
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Quellen
- Streeck-Ankündigungen & Kritik (FAZ-Zitate zusammengefasst): Stern (20.10.2025) – „Cannabis-Legalisierung: Kippt Hendrik Streeck das Gesetz?“ mit Aussagen zu „aufschnüren“, Beschränkung auf Tropfen/Kapseln, E‑Zigaretten-Kontrolle. stern.de: Kippt Hendrik Streeck die Cannabis‑Legalisierung? (20.10.2025). ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩
- Drogenaffinitätsstudie 2025 – Berichterstattung: RND (23.09.2025) – „Weniger jugendliche Kiffer nach Cannabis‑Legalisierung – leichtes Plus bei jungen Erwachsenen“. Enthält 6,1 % (12–17) und Trendhinweise. rnd.de: Weniger jugendliche Kiffer (23.09.2025). ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩ ↩
- Zusammenfassung der BIÖG-Ergebnisse: AOK G+G (23.09.2025) – „Jugendliche kiffen trotz Cannabis‑Legalisierung weniger“. Verweist auf BIÖG und liefert Detailwerte. aok.de: Jugendliche kiffen weniger (23.09.2025). ↩ ↩ ↩
- Zusätzliche Streeck-Berichterstattung: BILD (21.10.2025) – Meldung zu Streecks Ankündigungen und Kritik am CanG. bild.de: Streeck kündigt Rückabwicklung an (21.10.2025). ↩
- Evaluation CanG (EKOCAN): EUDA – „University of Hamburg (2025): Evaluation of Germany’s Consumer Cannabis Act (EKOCAN), 1st interim report“. euda.europa.eu: EKOCAN – First interim report. ↩
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