Cannabisgesetz: Weniger Verfahren, mehr Arbeit – Polizei und Justiz ziehen widersprüchliche Bilanz
Zu kompliziert? 💡 Hier geht es zum Artikel in einfacher Sprache.

Ein Jahr nach der Teillegalisierung von Cannabis zeichnet sich ein gespaltenes Bild. Während die Zahl der BtMG-Verfahren mit Cannabisbezug deutlich sinkt, ächzt die deutsche Justiz unter einem Rekord an offenen Fällen. Gleichzeitig warnt die Polizei vor hohem Kontrollaufwand und spricht von „Arbeit für den Papierkorb“.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der erledigten Cannabis-Verfahren ist seit Inkrafttreten des Gesetzes um rund 26 % gesunken. Quelle
- Gleichzeitig hat die Gesamtzahl unerledigter Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften mit rund 950.900 einen neuen Höchststand erreicht. Quelle (Destatis) · Quelle
- Polizeigewerkschaften kritisieren, dass Kontrollen aufwendig bleiben und oft zu Verfahren führen, die später eingestellt werden, was Ressourcen bindet. Quelle
Zahlenkonflikt: Entlastung trifft auf systemische Überlastung
Aktuelle Daten, die unter anderem von ZDFheute ausgewertet wurden, belegen den zweischneidigen Effekt der Reform. Auf der einen Seite führte das Cannabisgesetz (CanG) zu einem spürbaren Rückgang bei den einschlägigen Verfahren: Rund 315.000 erledigte Fälle im Jahr 2024 bedeuten einen Rückgang um 26 % ZDFheute · Destatis. Die erhoffte Entlastung der Justiz in diesem speziellen Bereich ist also messbar eingetreten. Dem gegenüber steht jedoch ein neuer Rekord bei der Gesamtbelastung der Staatsanwaltschaften. Mit fast einer Million unerledigter Fälle DIE ZEIT · stern ist klar: Das Cannabisgesetz allein kann die strukturelle Überlastung der Justiz nicht beheben.
Polizei klagt über „Arbeit für den Papierkorb“
Besonders deutlich wird die Kritik vonseiten der Polizeigewerkschaften. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) lehnt die Legalisierung weiterhin entschieden ab und warnt vor einer Verharmlosung der Droge, insbesondere mit Blick auf Jugendliche. Ein zentraler Kritikpunkt ist der hohe bürokratische Aufwand. Ein Sprecher aus Baden-Württemberg formulierte es prägnant als „weniger Delikte, mehr Arbeit“ dpa/SZ. Polizisten müssen weiterhin Kontrollen durchführen, deren Ergebnisse – etwa bei geringfügigen Überschreitungen der Besitzmengen – häufig in eingestellten Verfahren münden. Diese Arbeit für den Papierkorb binde Personal, das an anderer Stelle fehle. Zudem wird die unzureichende technische Ausstattung für Verkehrskontrollen bemängelt, da verlässliche THC-Schnelltests für den Straßeneinsatz weiterhin fehlen DIE ZEIT.

Interne Debatte: Die Polizei ist sich uneins
Allerdings gibt es innerhalb der Polizei keine einheitliche Meinung. Während die DPolG eine klare Ablehnung vertritt, äußern sich andere Organisationen und Beamte differenzierter. In Fachkreisen wird betont, dass eine pauschale Stellungnahme der Polizei kaum möglich sei KSV Polizeipraxis. Die Perspektiven reichen von strikter Ablehnung bis hin zur Akzeptanz der neuen Rechtslage mit dem Fokus auf Prävention und eine professionalisierte Kontrolle. Dieser interne Dissens zeigt, wie kontrovers die Auswirkungen des Cannabisgesetzes selbst bei den ausführenden Organen bleiben.
Chancen & Risiken
- Chance: Die Justiz wird nachweislich von Tausenden Kleinstverfahren entlastet und kann Ressourcen auf schwere Kriminalität konzentrieren Destatis.
- Risiko: Der Kontrollaufwand für die Polizei bleibt hoch und führt zu Bürokratie ohne Ergebnis, während Rechtsunsicherheiten (z. B. im Verkehr) fortbestehen GdP Positionspapier.
Die Zahlen nach einem Jahr CanG sind ein Realitätscheck: Eine Gesetzesreform ist kein Schalter, der Probleme löst, sondern ein Prozess. Die Entlastung bei der Justiz ist real, doch die Sorgen der Polizei über unklare Regeln und hohen Aufwand sind ebenso berechtigt. Echte Entlastung entsteht erst, wenn auf die Legalisierung auch die notwendige technische und personelle Ausstattung für die Kontrollorgane folgt.
Diskussion zum Artikel